Gedichtvergleich

Eine vergleichende Analyse zweier Gedichte nach Form, Inhalt, Sprache und Stil ist weit weniger schwieriger, als es sich zunächst anhört. Im Gegenteil: Die Analysebefunde helfen bei der Interpretation bezüglich Gehalt und Intention.

Aufbau einer vergleichenden Gedichtanalyse

Wie bei allen Texten sollte es drei Abschnitte geben: Einleitung, Hauptteil und Schlussteil. Bereits in der Einleitung sollte das Motiv der beiden Gedichte kurz aufgezeigt werden, da sich dieses sowohl formal als inhaltlich deuten lässt. Der Hauptteil kann wie folgt strukturiert werden:

1. Formale Strukturierung

Durch die Gliederung in Strophen, wie man sie in den meisten Gedichten vorfindet, ergibt sich bereits eine formale Strukturierung. Wichtig ist hierbei die Form, die durch Versmaß, Reinschema und Strophenbau festgelegt wird.

In Deutschland werden bei den Versmaßen hauptsächlich zwei Varianten benutzt: das zwei- und dreisilbige Versmaß. „Verliebt“ ist zum Beispiel ein typischer Jambus, also ein zweisilbiges Versmaß mit Senkung und Hebung.

Das Reinschema gibt die Abfolge der Reime wieder. Die Möglichkeiten hierbei sind vielfältig. Paarreim (aa), Kreuzreim (abab), umarmender Reim (abba), Kehrreim (Refrain), Haufenreim (aaaa) oder Schweifreim (aa b cc b) sind nur einige Beispiele.

2. Inhalt

Das Motiv der zu vergleichenden Gedichte sollte bereits in der Einleitung kurz erwähnt werden. Im Hauptteil jedoch geht es darum, dieses näher zu beleuchten. Haben beide Gedichte das gleiche Motiv? Selbst wenn die Antwort auf den ersten Blick „ja“ lautet, gibt es meist doch gravierende Unterschiede.

Diese gilt es zu finden und sowohl inhaltlich als auch formal / stilistisch zu vergleichen. Das Hauptmotiv „Liebe“ zum Beispiel spiegelt sich in vielen Gedichten wieder. Dennoch kann seine Intention völlig unterschiedlich sein: Liebe, die nicht erwidert wird; die eine große Liebe des Lebens; Liebe, die Leid auslöst, usw.

3. Tempus

In welcher Zeit ist das Geschriebene verfasst worden? Ob Präsens oder Präteritum ist oftmals entscheidend für die Intention des Dichters. Dauert ein Zustand noch an oder ist er schon vorüber? Untersucht man diese Frage, kommt man zwangsläufig zu weiteren formalen Aspekten der Sprache.

4. Formale Aspekte der Sprache & Stil

Die formalen Aspekte der Sprache sollten bei beiden Gedichten gründlich miteinander verglichen werden. Hier sind die Möglichkeiten beinahe unbegrenzt. Zunächst sollte sich die Syntax genauer angeschaut werden.

Werden viele Parataxen verwendet (Hauptsatz, Hauptsatz) oder benutzt der Dichter lieber Hypotaxen (Hauptsatz, Nebensatz)? Ist sie einfach oder komplex? Gibt es häufige Tempuswechsel? Wird Umgangssprache verwendet? Wie sieht es mit der Interpunktion aus? So ist beispielsweise ein Gedicht, das auf die meisten Satzzeichen verzichtet, eher als „haltlos“ zu bezeichnen.

Das kann oftmals Ausdruck des lyrischen Ichs sein. Ein Doppelpunkt hingegen steht für eine Ankündigung und hebt damit eine bestimmte Stelle des Gedichtes hervor. Auch die Wortarten spielen eine Rolle: So können Nomen negativ oder positiv besetzt sein oder Interjektionen für einen unmittelbaren Ausdruck sorgen.

Natürlich kann man diese beispielhafte Liste endlos weiterführen. Klimax (Wortreihe mit steigender Bedeutung), Antiklimax, die Epanalespe (Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe) oder Alliterationen (Übereinstimmung im Anfangslaut) sind weitere Aspekte, denen die vergleichende Inhaltsanalyse gewidmet werden sollte. Sie geben Auskunft über den Stil. Figuren der Bildlichkeit sind zum Beispiel Vergleiche, Metaphern, Personifikationen oder Symbole.

Natürlich spielt auch die Epoche des Gedichtes eine Rolle, soweit sie bekannt ist. Ein Dichter der heutigen Zeit schreibt ganz anders als ein Ludwig Tieck, der als Vertreter der Romantik galt.

Im Schlussteil sollte die Analyse zu einem Ergebnis kommen – eine eigene Meinung darf an dieser Stelle durchaus vertreten werden.

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